Dr. Elisabeth Selbert (1896-1986) – Ein Porträt

„Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“


Dass dieser Satz heute in unserem Grundgesetz steht, verdanken wir Elisabeth Selbert. Geboren in Kassel, besucht sie dort die Mädchenrealschule, die sie aber ohne „Reifezeugnis“ verlassen muss. Sie empfindet dies als Diskriminierung gegenüber den Jungen, die ein Reifezeugnis erhalten. Nach dem einjährigen Besuch einer Gewerbe- und Handelsschule des Frauenbildungsvereins Kassel möchte sie eigentlich gerne Lehrerin werden. Diese Ausbildung kann ihr Vater aber nicht finanzieren. Sie wird zunächst Auslandskorrespondentin bei einer Export-Import-Firma, verliert aber diese Stelle bei Kriegsausbruch 1914 und arbeitet dann als Postbeamtenanwärterin. 1918 lernt sie ihren späteren Mann kennen, den damaligen Vorsitzenden des Arbeiter- und Soldatenrates in Niederzwehren bei Kassel und tritt im selben Jahr in die SPD ein. Ermutigt durch Philipp Scheidemann, den späteren Reichskanzler, damals Oberbürgermeister in Kassel, wird sie politisch aktiv. Nach Gründung der Weimarer Republik erhalten auch Frauen das aktive und passive Wahlrecht und Elisabeth spricht auf Versammlungen und schreibt Artikel über die Pflicht und das Recht der Frauen, sich politisch zu informieren und zu engagieren. Nach ihrer Heirat 1920 und der Geburt von zwei Kindern bereitet sie sich im Selbststudium auf das Abitur vor, das sie 1925 als Externe nachholt. Danach studiert sie zunächst an der Uni Marburg als einzige Frau Rechts- und Staatswissenschaften, wechselt später nach Göttingen und ist dort eine von immerhin fünf Frauen. Nach nur sechs Semestern schließt sie ihr Studium mit Auszeichnung ab und promoviert 1930 mit dem Thema „Zerrüttung als Ehescheidungsgrund“. Ihre Forderung nach Einführung des Zerrüttungsprinzips wird allerdings erst 1977 aufgegriffen und umgesetzt. Trotz des Widerstandes bedeutender Nationalsozialisten, die eine Zulassung von Frauen als Anwalt unterbinden wollen, gelingt es ihr 1934 als Anwältin zugelassen zu werden. Nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft wird sie 1946 für die SPD in den Verfassungsbeirat für Groß-Hessen und 1948 in den Parlamentarischen Rat gewählt, der die Aufgabe hatte, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland auszuarbeiten. Dort setzt sie die Formulierung des Artikels 3 unseres Grundgesetzes durch. Ende der 50 er Jahre zieht sich Selbert, bis dahin Mitglied des Hessischen Landtags, aus der Politik zurück und gerät beinahe in Vergessenheit. In ihrer auf Familienrecht spezialisierten Kanzlei arbeitet sie jedoch weiter bis zu ihrem 85. Lebensjahr. Seit 1983 vergibt die Hessische Landesregierung alle zwei Jahre den Elisabeth-Selbert-Preis „in Anerkennung hervorragender Leistungen für die Verankerung und Weiterentwicklung von Chancengleichheit von Frauen und Männern“.